Mein Weg zur Cranio-Sacral-Therapie

Ein persönlicher Rückblick von Ron Kuleßa

Es war 2006 im Wendland (Niedersachsen). Ich war in einem Bio-Hotel, in dem alternative Gesundheitsbehandlungen angeboten wurden.

Das Angebot nahm ich gern an, denn seit 8 Jahren litt ich unter Rückenschmerzen. Sie hatten mich an den Rand der Erwerbsunfähigkeit gebracht und waren lebensbestimmend geworden. Alles war auf Schmerzvermeidung und  -bewältigung ausgerichtet.

Auf meinem Weg hatte ich viele Ärzte und Therapeuten kennengelernt und hatte viele schul- und alternativmedizinische Methoden ausprobiert. Doch alle Behandlungen waren nur von kurzfristigem Erfolg.

Im Angebot des Hotels las ich etwas von ‚Cranio-Sacral-Behandlung‘. Ich musste das Wort zwei- oder dreimal lesen, denn es war für mich schwierig, es zu erfassen. Weiter las ich von cranio-sacralen Bewegungen, Harmonisierung innerer Rhythmen und sanfter, einfühlsamer Behandlung. Auch nach mehrmaligem Durchlesen des Textes hatte ich keine Vorstellung, was mich in der Behandlung erwartet. Doch es klang interessant.

So wählte ich aus dem Angebot des Hotels die Cranio-Sacral-Behandlung aus. Damals wusste ich nicht, dass ich damit einen Wendepunkt in meinem Leben einleitete, gesundheitlich wie beruflich.

Die Behandlung war „außergewöhnlich“ – das ist das einzige Wort, was mir damals dazu einfiel. Meine Behandlerin machte nahezu nichts, kein Entblockieren, kein Dehnen, kein Kräftigen. Doch mein Körper reagierte auf diese angenehmen, kaum merklichen „Berührungen“.

Hinterher fühlte ich mich unbeschreiblich gut. Und meine Schmerzen… Oh – welche Schmerzen? Es sind ja gar keine da! Und das Beste: der schmerzfreie Zustand hielt über mehrere Tage an, ohne dass ich etwas dafür tun musste. So gut hatte ich mich seit vielen Jahren nicht mehr gefühlt.

Doch Zweifel mischten sich in meine Faszination. Diese Behandlung schien das Gesetz von Ursache und Wirkung außer Kraft zu setzen. Sie brachte mein wissenschaflich-logisches Weltbild ins Wanken. Meine Behandlerin hatte nichts gemacht, das eine Wirkung erwarten ließ – jedenfalls nichts, was ich damals erfassen konnte. Das war für mich als logisch denkenden Menschen schwer zu akzeptieren.

War die Wirkung nur auf einen Placebo-Effekt zurückzuführen? Wohl kaum, denn ich war voller Zweifel und noch weit entfernt vom Glauben an diese Methode.

Intuitiv begann ich,  das Erlebte zu überprüfen. Eine zweite Behandlung sollte ergeben, ob es eine nachvollziehbare Wirkung gibt.

Die zweite Behandlung war genauso außergewöhnlich. Die Behandlerin schien langsame, doch chaotische Bewegungen mit meinen Gliedmaßen und meinem Kopf zu machen, ohne für mich erkennbaren Sinn. Hinterher behauptete sie,  dass ich diese Bewegungen selbst gemacht hätte und sie nur so etwas wie ein Katalysator gewesen sei. Sie hätte „einen Raum geschaffen“, dass diese heilsamen Bewegungen geschehen können. Sie nannte es ‚Unwinding‘.

Das war „starker Tobak“ für mich als Informatiker. Die Informatik hat sich als Wissenschaft aus der Mathematik entwickelt, mir dem Fokus auf Logik. Die Arbeit eines Informatiker basiert darauf, die Vorgänge in komplexen Systemen logisch zu erfassen (z.B. Rechenzentren, Netzwerke, Software mit Millionen Zeilen von Quelltext). Was ich bei der Cranio-Sacral-Behandlung erfahren hatte, war für mich damals überhaupt nicht logisch erfassbar.

Doch ich konnte auch bei der zweiten Behandlung eine Wirkung spüren. Ich fühlte mich nach der Behandlung traumhaft gut und wieder war ich für mehrere Tage schmerzfrei, diesmal etwas länger.

Ich war in einem Zwiespalt. Die Wirkung der erfahrenen Cranio-Sacral-Behandlung war für mich wissenschaftlich-logisch nicht erklärbar. Jedoch wäre es noch unwissenschaftlicher und noch unlogischer gewesen, die Wirkung wegzudiskutieren, die offensichtlich da war.

Was ich erlebt hatte ließ mich nicht mehr los. Einerseits wollte ich wieder ein schmerzfreies Leben führen. Andererseits interessierte mich mehr und mehr, welche Funktionsmechanismen hinter der Cranio-Sacral-Therapie stecken. Ich wusste noch nicht, dass mir mein Verständnis von komplexen Systemen noch sehr helfen würde, ein guter Cranio-Sacral-Therapeut zu werden. Einen entscheidenden Fakt konnte ich damals jedoch noch nicht erfassen.

Als nächstes wollte ich erfahren, ob die Cranio-Sacral-Therapie bei einem anderen Behandler die gleiche erstaunliche Wirkung hat. Ich forschte nach dem Lehrer meiner Behandlerin und fuhr zu ihm zur Behandlung. Und wieder war ich nach der Behandlung schmerzfrei und ich fühlte mich sehr gut. Eine Tendenz zeichnete sich ab: Nach jeder Cranio-Sacral-Behandlung wurden meine schmerzfreien Intervalle länger.

Doch ich konnte immer noch nicht  verstehen, wie die Wirkung der Cranio-Sacral-Behandlungen zustande kommt. Um meinen Zwiespalt aufzulösen, nahm ich an einem Einführungstag teil. Wow – was für ein Tag! Ich saugte die dargebotene Theorie auf. Und ich bekam positive Rückmeldungen von meinen Übungspartnern. Simply amazing! Es funktioniert also auch bei mir.

Zu dieser Zeit las ich Das Buch „Auf den inneren Arzt hören“ von John Upledger. Eines der ersten Kapitel heißt „Ich sitze am Haken und merke es nicht“.  Im Nachhinein weiß ich, dass dies meine damalige Situation beschreibt. Innerlich war die Entscheidung schon lange gefallen, dass ich die Cranio-Sacral-Therapie erlernen möchte. Äußerlich war ich noch mit Zweifeln beschäftigt.

Würde mein medizinisches Wissen ausreichen, das ich mir in den Jahren meiner Krankheit angeeignet hatte? Würde ich die feinen, subtilen Bewegungen adäquat spüren können, auf denen die Cranio-Sacral-Therapie basiert? Was will später ich mit den angeeigneten Fähigkeiten anfangen, etwa meinen ungeliebten, doch „guten Job“ an den Nagel hängen? Ich suchte noch nach Rechtfertigungen, meiner inneren Stimme zu folgen.

Im Juni 2007 begann ich mit der Weiterbildung in Cranio-Sacral-Therapie, die ich 2009 abschloss. Es folgten viele Spezialkurse und tausende Behandlungsstunden, die 2013 zur Anerkennung als Master-Practitioner des Cranio-Sacral-Verbandes Deutschland führten.

Zwischenzeitlich habe ich die Prüfung als Heilpraktiker abgelegt und meinen Beruf gewechselt. Ich arbeite jetzt als auf Cranio-Sacral-Therapie spezialisierter Heilpraktiker.

Seit 2013 biete ich Weiterbildungen in Cranio-Sacral-Therapie an.

In tiefer Dankbarkeit für
Christiane, meine erste Behandlerin
Wolfgang Rühle und Angelika Schultz, meine ersten Lehrer
Anna, die mich ermuntert hat, meinen Weg konsequent zu gehen

Ron Kuleßa